Am Freitag, 18. Februar 2022, wurde in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz durch die Schirmherrin Ministerpräsidentin Malu Dreyer der SI STAR Filmpreis sowie zwei Sonderpreise verliehen. Der von unserem Club geförderte Sonderpreis ging an den Film "Genderation" von Monika Treut. Wir gratulieren ihr und den anderen Preisträgerinnen sehr herzlich und freuen uns darauf, den Film im Herbst in Zusammenarbeit mit dem Lumière oder Méliès zu zeigen!
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des SI Clubs Mainz.
v.li: D. Henz, A.Peter, B. Magoko, A. Dörrhöfer (SIDeutschland-Präsidentin) Foto: B.Sangerhausen
Der Höhepunkt unseres Engagements während der Orange Days in diesem Jahr war ein double feature: Die Deutschland-Präsidentin von SI, Anne Dörrhöfer, hat uns besucht und ihren eigenen Zugang zum Thema weibliche Genitalverstümmelung geschildert, und wir haben in Zusammenarbeit mit dem lokalen Programmkino den Film „In Search“ von Beryl Magoko gezeigt. Auch Beryl war zu diesem Anlass nach Göttingen gereist und diskutierte mit Clubschwestern und Kinogästen.
Dominique Henz ist Mitbegründerin und Jury-Mitglied des SI-STAR. Sie lebt in Göttingen und ist häufig bei unseren Clubabenden zu Gast. Am Donnerstag, 2.12.2021, moderierte sie im Anschluss an den Film die Diskussion mit der Regisseurin Beryl Magoko im Programmkino Méliès. „Bilder sind Macht“, sagte sie, „es ist ein mutiger Film, der uns alle berührt hat“. Gezeigt wurde der Film als Teil des 42. Europäischen Filmfestes. Unser Club wird den Erlös dem Frauenhaus Göttingen spenden.
Vor dem Film trafen sich 15 Clubschwestern im Bistro Cichon mit Anne Dörrhöfer. Das Thema von Beryl Magokos Film ist weibliche Genitalverstümmelung (Englisch: female genital mutilation, FGM) und das Überwinden von Tabus. Anne hat FGM als Schwerpunktthema ihrer Präsidentschaft gewählt und ist gern einer Einladung zum Screening des prämierten Films gefolgt. Sie berichtete von ihrem ganz persönlichen Zugang zu diesem wichtigen Thema.
200 Millionen Frauen sind weltweit von FGM betroffen. Rund 70.000 von ihnen leben in Deutschland. SI hat bisher schwerpunktmäßig Aufklärungskampagnen in den Ländern initiiert und unterstützt, in denen FGM praktiziert wird. Nun aber ist es an der Zeit, im eigenen Land zu sensibilisieren. Anne Dörrhöfer ist über den inzwischen verstorbenen Rüdiger Nehberg zum ersten Mal mit dem Thema in Berührung gekommen, berichtete sie. Als erschütternd, sehr gut aufgearbeitet, aber kaum auszuhalten beschrieb sie einen Vortrag, den Nehberg auf Einladung von SI vor einigen Jahren gehalten hat. Nehberg ist Gründer der Menschenrechtsorganisation TARGET (Arbeit und Ziele (target-nehberg.de)), die nach seinem Tod von seiner Frau Anette Nehberg-Weber fortgeführt wird. TARGET zieht gegen FGM zu Felde.
"Wir müssen hellhörig und misstrauisch werden, wenn zum Beispiel ein Mädchen allein nach Somalia reisen soll", skizziert Anne Dörrhöfer. SI tut während Annes Präsidentschaft mit ihrem President’s Appeal etwas, um das Tabu um FGM zu brechen und aufzuklären: In den kommenden zwei Jahren steht der Einsatz gegen FGM im Zentrum des Soroptimist Hilfsfonds e.V., der unseren Clubs als Solidargemeinschaft finanzielle Hilfe für deren Projekte leistet. Mit einer Hälfte der Mittel des FGM Fonds unterstützen wir Maßnahmen, die sich vor Ort für die Bekämpfung von FGM und für die Betreuung von Betroffenen engagieren. Die andere Hälfte wird für Aktivitäten in Deutschland verwendet, die sich gegen weibliche Genitalverstümmelung einsetzen mit dem Ziel, diesem Thema mehr Öffentlichkeit zu geben. Die Beschneidung von Mädchen und Frauen ist eine schwere genderspezifische Menschenrechtsverletzung.
Nach Annes Bericht gab es die Gelegenheit, die Regisseurin Beryl Magoko selbst zu diesem Thema zu befragen. Beryl ist eine sehr charismatische Berichterin, und Annes Engagement für FGM und ihr persönliches Berührtsein haben es uns allen leicht gemacht, nicht in der Bedrückung zu verharren, die die körperliche und seelische Grausamkeit von Beschneidung verursacht. Mit Beryls Mut und Annes Engagement können wir gemeinsam für das Thema sensibilisieren und einen Schritt in Richtung Abschaffung der Praxis gehen!
Als unser Beitrag zu den weltweiten Aktionstagen gegen Gewalt an Frauen (Orange Days, 25.11.-10.12.) illustriert der Film anhand von Magokos eigener Erfahrung, wie wichtig das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Würde von Frauen ist. Einfühlsam dokumentiert die 1984 in Kenia geborene Regisseurin in ihrem 2018 während ihres Studiums an der Kunsthochschule für Medien in Köln entstandenen Diplom-Films nicht nur ihre eigenen Erlebnisse, sondern thematisiert das Tabu weiblicher Genitalverstümmelung (auf Englisch: female genital mutilation, FGM) generell. Ihre Gespräche mit ihrer Mutter und anderen Frauen, die durch den Eingriff zwar lebenslang gezeichnet, aber keineswegs nur Opfer sind, regen zu einer politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Beschneidungsthematik an.
„In Search“ wurde mehrfach bei internationalen Filmfestspielen ausgezeichnet. Seit Februar 2021 wird der Film im Rahmen des Projekts „Film Screening in Villages“ auch in ländlichen Gebieten in Kenia und anderen afrikanischen Ländern gezeigt und trägt so zur Aufklärung und einer Debatte dort bei, wo FGM vor allem praktiziert wird.
Durch die Migrationsbewegungen der letzten Jahre ist das Problem auch bei uns in Deutschland angekommen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend informiert auf seiner Homepage ausführlich über Hintergründe und aktuelle Projekte in diesem Zusammenhang. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF schätzt, dass weltweit in 30 Ländern über 200 Millionen Frauen und Mädchen von FGM betroffen (in Deutschland etwa 6700 Frauen) und 3 Millionen Mädchen bedroht sind (in Deutschland zwischen knapp 3000 und fast 15.000). Neben den körperlichen Folgen der Prozedur haben Frauen mit schweren seelischen Schäden zu kämpfen. Seit 2013 ist mit §226a im Strafgesetzbuch ein Spezialtatbestand geschaffen, nach dem FGM als Verbrechen eingestuft ist. International wird FGM als Menschenrechtsverletzung anerkannt; es ist eine besonders extreme Form von sexueller Diskriminierung und Zeichen der Ungleichheit der Geschlechter. Spezifische Informationen (auf Englisch) finden sich auch auf der Homepage der Weltgesundheitsorganisation.
Die Orange Days, 16 Days of Activism Against Gender Violence, wurden 1991 in den USA ins Leben gerufen. Die Idee stammt aus dem Center for Women’s Global Leadership am Institute for Women’s Global Leadership der Rutgers University, wo unter der Federführung der Autorin und Frauenrechtlerin Charlotte Bunch (geboren 1944) die ersten 16 Tage mit Aktionen gegen Gewalt an Frauen organisiert wurden. Die Orange Days beginnen am 25. November (der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen; an diesem Tag wurden 1960 die Schwestern Mirabal in der Dominikanischen Republik durch das Trujillo-Regime ermordet) und enden am 10. Dezember (internationaler Tag der Menschenrechte). In 164 Ländern schließen sich jährlich mehr als 3700 Organisationen für diese 16 Tage zusammen und führen Aktionen durch, die Gewalt an Frauen anprangern und weltweit ein Ende dieser geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen fordern. In Göttingen werden diese Aktionen koordiniert durch die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt und des Landkreises. Das Frauenforum macht in seinem elektronischen Flyer auf diverse Aktionen aufmerksam (http://www.frauenforum-goettingen.de/antigewalttag.html).
Das Motto von Soroptimist International ist „bewusstmachen – bekennen – bewegen“. Mit Magokos Film bietet der Göttinger Club einen faktenbasierten und persönlichen Einstieg in eine Debatte über FGM auch hier bei uns. Die Serviceclubs von Soroptimist International bekennen sich zu den Zielen der UN und der Istanbulkonvention. Gewalt an Frauen, wie Gewaltanwendung generell, ist nicht hinnehmbar.
Alle zwei Jahre verleiht SI Deutschland auf der Berlinale den SI STAR Filmpreis für Regisseurinnen. Die Schirmherrschaft hat Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Der Göttinger Club zeigt die prämierten Filme im Rahmen der Orange Days im November im Lumière oder Méliès. Wir fördern den SI Sonderpreis zu Themen, die für Frauen von Interesse sind, mit 1000 Euro.